Alan Lomax

Alan Lomax ist eine der wichtigsten Figuren der neueren Musikgeschichte. Seine Leistungen betreffen jedoch weniger seine eigene Musik. Vielmehr besteht sein Verdienst darin, dass er die traditionelle Folkmusik aus vielen Teilen der Welt aufgenommen und gesammelt hat. Er setzte damit die Arbeit seines Vaters John A. Lomax fort, der den jungen Alan in die Welt der Folkmusik einführte.

Um zu verstehen, wie außergewöhnlich die Leistungen von Alan Lomax sind, muss man sich vergegenwärtigen, in welcher Zeit er damit begann, den Süden der USA zu durchstreifen, um dort Blues- und Country-Musiker aufzunehmen. Anfang der 1930er Jahre wütete die Weltwirtschaftskrise und sorgte in den USA dafür, dass zeitweise 15 Millionen Amerikaner arbeitslos waren. Die Rassentrennung war gesetzlich vorgeschrieben bis 1954 und gerade in den Südstaaten gab es große Konflikte zwischen der schwarzen und weißen Bevölkerung. Dies hielt John und Alan Lomax aber nicht davon ab, die reiche Musikkultur der afro-amerikanischen Bevölkerung in diesem Teil der USA zu erforschen. Dass sie viele Aufnahmen in Gefängnissen machen mussten, ist symptomatisch für die damalige Zeit. Es ist nicht erstaunlich, dass Alan Lomax schließlich ins Visier des FBIs geriet und mehrere Jahrzehnte lang gegen ihn immer wieder hinsichtlich seiner vermeintlich kommunistischen Gesinnung ermittelt wurde, wenn auch stets erfolglos.

Der vorurteilsfreie Zugang zu Menschen und Musik zeichnet das Lebenswerk von Alan Lomax aus. Er reiste viele Male nach Europa, lebte zeitweise in England, und blieb sein ganzes Leben lang neugierig auf fremde Kulturen. Er entwickelte die Idee der „Cultural Equity“, also der Gleichwertigkeit aller Kulturen. Auf seinen vielen Reisen lernte er die Menschen vor allem anhand ihrer unterschiedlichen Musik kennen. Gerade diese Vielfalt faszinierte ihn. Weil er die Menschen mit Respekt behandelte und ihre Leistungen schätzte, erfuhr er auch selber sehr viel Wertschätzung von den oftmals unbekannten Künstlern.

Viele legendäre Musiker sind eng mit dem Namen Alan Lomax verbunden. Woody Guthrie, Muddy Waters, Lead Belly, Jerry Roll Morton und viele andere wurden zum ersten Mal von Alan Lomax aufgenommen. Er nahm auch diverse Interviews auf, die heute einen wichtigen Beitrag zur Musikgeschichte darstellen. Er befragte Musiker nach ihren Vorbildern und Einflüssen, ihrer Lebensgeschichte und ihrer Musik.

Alan Lomax war ein Glücksfall für die Musik und fast seine komplette Arbeit ist in Archiven zugänglich. Dadurch wird das erreicht, was für ihn eines der wichtigsten Ziele war, nämlich die Bewahrung des kulturellen Erbes. Wie wichtig dies ist, lässt sich daran erkennen, dass viele der von Alan Lomax entdeckten Musiker spätere Künstler beeinflusst haben. Die alten Blues-Musiker waren z.B. prägend für den Rock’n’Roll. Und Weltmusik ohne die zahlreichen Lomax-Aufnahmen der traditionellen Folkmusik in vielen Ländern der Welt, ist kaum vorstellbar. Ohne Alan Lomax wäre die Musikgeschichte eine andere geworden.